15. Januar 2013
Ägypten

Neue Verfassung in Kraft

In Ägypten ist am 26.12.2012 die neue Verfassung in Kraft getreten. Für das Familienrecht relevant sind u.a. die Regelungen zur Rolle der Scharia in der Rechtsordnung. Die Regelung in Art. 2, nach der die Prinzipien der Scharia die Hauptquelle der Gesetzgebung sind, war schon Bestandteil der alten Verfassung. Diese Regelung wurde von Salafisten, die nicht „die Prinzipien der Scharia“ sondern „die Scharia“ zur Hauptquelle machen wollten, scharf kritisiert, letztlich aber beibehalten. Darüber hinaus werden jetzt in Art. 219 die Quellen der Prinzipien der Scharia näher umschrieben (Offensichtlichkeit, fundamentale Normen, die Grundlagen der islamischen Rechtswissenschaft sowie die gemeinhin anerkannten Rechtsquellen der sunnitischen Orthodoxie). Von Bedeutung ist darüber hinaus Art. 4, der vorsieht, dass in allen die Scharia betreffenden Angelegenheiten künftig der Rat der höheren Religionsgelehrten an der Al-Azhar-Universität konsultiert werden muss. Es ist umstritten, inwieweit hierdurch das Monopol des Verfassungsgerichts konterkariert wird.

Auf eine von Teilen der Opposition geforderte Regelung zum Mindestheiratsalter für Mädchen wurde verzichtet. Art. 30 statuiert, dass Diskriminierung wegen des Geschlechts verboten ist. Artikel 68 Abs 1 sieht „unbeschadet der Prinzipien der Scharia“ vor, dass der Staat Maßnahmen zur Herstellung von Gleichheit von Männern und Frauen trifft; Absatz 2 regelt, dass kostenlose Dienste für Mütter und Kinder zur Verfügung gestellt und Gesundheits-, Sozial-, Wirtschafts- und Erbrecht von Frauen sowie der Ausgleich zwischen Familienpflichten und gesellschaftlicher Arbeit von Frauen staatlich garantiert werden. Geschiedene und verwitwete Frauen stehen nach Abs. 3 unter dem besonderen Schutz des Staates.

Kritiker sehen in den Neuregelungen tendenziell die Vorbereitung einer verstärkten Hinwendung zu islamischen Rechtsvorstellungen.