28. Februar 2024
Indonesien

Verbot der Registrierung interreligiöser Ehen

Von Dr. Ursula Lewenton

Mit Rundschreiben Nr. 2/2023 vom 17.7.2023 hat der Vorsitzende des MA (Abkürzung für Mahkamah Agung, Oberster Gerichtshof Indonesiens) den Distrikts- und Berufungsgerichten Indonesiens in Form eines Leitfadens verboten, einem Antrag auf Registrierung einer Eheschließung zwischen Angehörigen unterschiedlicher Religionen oder Glaubensgemeinschaften zu entsprechen und dabei ausdrücklich auf Art. 2 Abs. 1 und 2 Ehegesetz Nr. 1/1974 hingewiesen.

Nach Auffassung des MA ist eine Eheschließung nur dann gültig, wenn sie gemäß dem Recht der jeweiligen Religion des Brautpaares geschlossen und im Zivilregister registriert wird. 

Dem Rundbrief war ein Vorfall vorausgegangen, welcher großes mediales Aufsehen erregt hatte. Das Distriktsgericht Surabaya hatte mit Beschluss vom 26.4.2022 dem Antrag eines Mannes, Angehöriger des Islam, und einer Frau, christlicher Religion, auf Registrierung ihrer Ehe stattgegeben. Diese war bereits erfolgt, als am 23.6.2022 vier Privatpersonen das Gericht beschuldigten, das Recht verletzt zu haben und die Aufhebung der Entscheidung verlangten. (Dazu ist zu bemerken, dass nach der in Indonesien vorherrschenden islamrechtlichen Auffassung, abweichend von der im klassischen islamischen Recht geltenden Rechtsauffassung, die Eheschließungen zwischen einem muslimischen Mann und der Angehörigen einer Buchreligion zulässt, jegliche Ehe eines muslimischen Partners mit einer nichtmuslimischen Person verboten ist). 

Den Antrag unterstützten neben der Einwohnerverwaltungsbehörde und der Zivilregistrierung von Surabaya auch der MA, der Rat der Islamischen Religionsgelehrten (Majelis Ulama), die Vereinigung der Kirchen Indonesiens sowie die islamischen Internatsschulen Al Anwar Sarang und Al Qur’an.

Im Gegenzug erklärte der für die Öffentlichkeitsarbeit des Distriktsgericht Surabaya zuständige Repräsentant Gede Agung gegenüber dem Nachrichtensender CNN Indonesia am 24.6.2022, der Richter habe diesen Fall in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln und Gesetzen entschieden.

Zum Verständnis dieser Diskrepanz der Meinungen ist eine kurze Darstellung der Handhabung inter-religiöser Ehen in der Vergangenheit erforderlich.

Nach der Unabhängigkeit Indonesiens war es das Bestreben der Regierung, die Bildung einer einheitlichen Nation zu fördern. Deshalb entschied der MA auch weiterhin nach einem Gesetz aus der Kolonialzeit (Regeling op de Gemengde Huwelijken) und erlaubte Ehen von Angehörigen unterschiedlicher Religionen, ungeachtet des gesellschaftlichen Druckes, welcher verlangte, sie zu beschränken bzw. zu verbieten. Als dann das Ehegesetz Nr. 1/1974 in Art. 2 Abs.1 bestimmte, dass eine Ehe nach dem Recht der Religion beider Partner geschlossen werden muss, war klar, dass das Recht zur Eheschließung dem staatlichen Recht unterstellt und das Recht der Religion insoweit beschränkt wurde. In einigen religiösen Gemeinschaften führte das zu der Ansicht, dass damit alle religiösen Vorschriften dem staatlichen Recht einverleibt worden seien, was die Regierung in eine Zwangslage brachte. Sie konnte dies angesichts der zunehmenden Bedeutung dieser Gemeinschaften nicht abstreiten, da sie sich dadurch in offenem Widerspruch zu ihnen gesetzt hätte. Es zu bejahen hätte aber religiöse Unterschiede im Staat institutionalisiert und dessen Autorität beschränkt. 

Nach einer Zeit des Abwartens konnte die Rechtsprechung, d.h. der MA, dem Problem nicht länger aus dem Weg gehen. Mit einer Entscheidung von 1989 (Mahkamah Agung. Entscheidung Nr. 1400K/Pdt/1986 vom 20. 1.1989) wandte er sich einer neuen Logik zu. Mit der Begründung, dass das koloniale Gesetz nicht länger mit dem nicht-säkularen modernen indonesischen Staat vereinbar sei, erklärte er es für ungültig. Zugleich aber stellte er fest, dass dadurch eine Gesetzeslücke entstanden sei und füllte diese mit einem alternativen Verfahren für eine Eheschließung von Indonesiern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, indem er die Registrierung interreligiöser Ehen aufgrund besonderer gerichtlicher Anordnung auch weiterhin erlaubte, ungeachtet des gesellschaftlichen Druckes.

Dieser Entscheidung trägt auch das Einwohnerverwaltungsgesetz Nr. 23/2006 Rechnung. Art. 35a i. V. m. Art. 34 EVwG regelt die Registrierung gerichtlich bestätigter Eheschließungen. 

Nach der gegenwärtigen Rechtslage sind somit alle bisherigen, gemäß diesem Gesetz registrierten interreligiösen Ehen gültig. Das gilt im Hinblick auf die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung auch für Ehen nach Erlass des Rundschreibens Nr. 2/2023.

Doch müssen Richter, welche entsprechenden Anträgen stattgeben, u. U. mit negativen Folgen für ihr berufliches Fortkommen rechnen, da darüber auch der MA entscheidet.

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang ein Beschluss des MA vom 8.8.2023 (eingetragen im Register des MA für Beschlüsse unter Nr.423/Pdt.P/2023/PN Jkt.Utr.). Ein Katholik und eine Protestantin, beide indonesische Staatsangehörige, hatten am 1.2.2023 vor einem Pastor die Ehe geschlossen und am 13.7.2023 beim Distriktsgericht von Nord-Jakarta die Registrierung beantragt. Das Gericht hatte dem Antrag am 14.7.2023 unter Bezugnahme auf Art. 35 a EVwG stattgegeben. Um sicherzugehen bat das Paar sodann beim MA um eine Bestätigung der Gültigkeit seiner Eheschließung und die Erlaubnis zur Registrierung. Mit dem o.g. Beschluss hat der MA dieser Bitte entsprochen. 

Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des EheG Nr.1/1974 ist für dieses Jahr eine Konferenz geplant. Auf dem Programm steht auch die interreligiöse Ehe.