18. Oktober 2012
Frankreich, Algerien

Verweigerung der Adoption bei bestehendem kafala-Verhältnis nicht EMRK-widrig

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 4.10.2012 entschieden, dass die Weigerung französischer Gerichte, einer Antragstellerin die Adoption eines Kindes zu gestatten, zu dem sie in einem nach algerischem Recht bestehenden Pflegschaftsverhältnis (kafala) steht, nicht gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens) verstößt.

Nach dem französischen Code civil (Art. 370-3 Abs. 2 CC) ist die Adoption eines ausländischen minderjährigen Kindes nicht möglich, wenn das Recht des Herkunftslands des Kindes diese nicht erlaubt. Letzteres war hier der Fall, da das in Algerien geltende muslimische Recht (Art. 46 algerisches Familiengesetzbuch) Adoptionen untersagt und lediglich (in den Art. 116 ff FamGB) das hier bestehende kafala-Verhältnis vorsieht, im Rahmen dessen ein Kind in Pflege genommen werden kann, wodurch jedoch anders als bei einer Volladoption kein Verwandtschaftsverhältnis zum Betreuenden hergestellt wird. Der Gerichtshof war der Meinung, dass das bestehende kafala-Verhältnis der Antragstellerin hinreichende Rechte einräume, um im Interesse des Kindes zu handeln und dessen Interessen wirksam zu vertreten. Eine Adoption sei deshalb nicht erforderlich. Die Entscheidung, das von der Regelung des Code civil für relevant erklärte, nach algerischem Recht bestehende Verbot zu beachten, sei somit im Hinblick auf die EMRK nicht zu beanstanden.

Zum kafala-Verhältnis vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Länderbericht Algerien, Abschnitt III B 7 c.